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Prof. Albert Gollhofer im Seitenprofil von Kopf bis Schultern auf einer Tartanbahn.

Früh sporteln übt sich

Sport ist wichtig für die Gesundheit. Prof. Dr. Albert Gollhofer ist sogar der Meinung, dass die motorische Entwicklung im Kindes- und Jugendalter genauso wichtig ist wie die intellektuelle Entwicklung.

Prof. Albert Gollhofer frontal von Kopf bis Hüfte auf einem Sportgelände

Wer sein Kind mit drei Jahren schon in den Turnverein steckt, macht alles richtig. Wer sein Kind zusätzlich noch Ballett oder Schwimmen ausprobieren lässt, macht es noch richtiger. Kinder früh mit dem Sport in Kontakt zu bringen, ist wichtig für ihre motorische, aber auch soziale Entwicklung. Das sagt Prof. Dr. Albert Gollhofer. Er ist seit rund 50 Jahren Sportwissenschaftler und hat von 2000 bis 2022 das Freiburger Sportinstitut geleitet. Den größten Teil seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er sich mit der neuromuskulären Kontrolle des Menschen auseinandergesetzt. Sie erklärt, warum manche Menschen in bestimmten Sportarten so gut, so treffsicher, oder so stark sind. Die Kurzantwort: Der Organismus dieser Menschen hat sich an den Sport angepasst. Wie lange diese Anpassung braucht, inwiefern Sport auch für die soziale Entwicklung von Kindern so wichtig ist und ob man auch im Jugend- oder Erwachsenenalter noch Spitzensportler:in werden kann, erzählt Prof. Gollhofer im Interview.

Sportwissenschaftler Prof. Albert Gollhofer im Portrait
Der Fitnesszustand der Kinder und Jugendlichen wird immer schlechter.
Prof. Albert Gollhofer

Jede:r kennt das Sprichwort „Früh übt sich“. Können Sie das aus wissenschaftlicher Sicht beleuchten? Warum ist es vorteilhaft, schon als Kind mit einer Sportart zu beginnen?

Dafür gibt es viele gute Gründe. Zunächst ist das für die allgemeine Fitness wichtig. Der Fitnesszustand der Kinder und Jugendlichen wird immer schlechter – vor allem bei den Ausdauersportarten ist die Entwicklung katastrophal. Das besorgt mich ganz besonders, denn es ist auch so, dass motorische Grundfertigkeiten, wenn sie nicht im Kindes- und Jugendalter erlernt werden, später nur sehr schwer nachgeholt werden können. Das motorische Lernen ist genauso wie das Erlernen der Sprache an biologische Zeiträume gekoppelt. Es gibt für ein Kind also einen idealen Zeitraum, um z. B. hervorragende turnerische Fähigkeiten zu entwickeln. Diesen Zustand erreicht man als Erwachsener nie wieder.

Für den Profisport ist es umso wichtiger, früh anzufangen. Das hat nichts mit Drill zu tun, sondern mit den Anpassungsprozessen im neuromuskulären Sektor des Körpers. Diese Prozesse brauchen Zeit. Wer mit acht Jahren mit einer Sportart beginnt und dort systematisch seine Leistung steigert, hat gute Chancen, später ganz oben mitzuspielen. Wer das nicht tut, hat eigentlich keine Chance.

Das heißt, irgendwann ist der Zug zur Profikarriere abgefahren?

Es gibt noch die alte Regel der zehntausend Stunden: Wer sich nicht zehntausend Stunden mit einer Sportart beschäftigt, hat kein nationales Niveau. Wer sich nicht zwölftausend Stunden mit einer Sportart beschäftigt, hat kein internationales Niveau.

Und dann ist da noch die soziale Komponente: Sport kommt nicht nur der motorischen, sondern auch der sozialen Entwicklung zugute.

Prof. Albert Gollhofer im Seitenprofil spazierend auf Sportgelände
Herr in Frontalansicht Kopf Oberschenkel, lehnend an einer Stange vor Tartanbahn

Absolut. Im Sport landet das Kind in einem gesunden Wettbewerb, kann sich spielerisch mit anderen Kindern auseinandersetzen. Kinder wollen diese Vergleiche – wer kann höher springen oder einen besseren Purzelbaum schlagen? Das ist ein infantiles Grundsystem und im Sport kann man das in einer sicheren Umgebung tun. Die Kinder können sich an den Regeln gut festhalten, was in der heutigen Zeit auch extrem wichtig ist. Dass man sich in den Sportregeln zu benehmen weiß und auch versteht, das ist kein Angriff auf meine Persönlichkeit, sondern das sind einfach die Regeln.    

Sport kommt auch der sozialen Entwicklung zugute.

Was würden Sie Eltern raten: Wie können Kinder motorisch optimal gefördert werden?

Ich finde es wichtig, dass das Elternhaus die sportliche Entwicklung positiv unterstützt und noch weitere Möglichkeiten aufzeigt – „hey, cool, dass du das machst. Hast du Lust, noch eine andere Sportart auszuprobieren?“ Kindern sollte eine vielfältige breite Bewegungserfahrung vermittelt werden und da ist es eben nicht damit getan, das Kind in einen Fußballverein zu stecken. Spezialisierung auf eine Sportart geht später dann immer noch.

Gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das sich strukturell gesehen ändern muss, damit Kinder früh die sportliche Förderung erfahren, die sie verdienen?

Wir haben in Deutschland ein großes Sportangebot. Das ist aber nur möglich durch die ehrenamtliche Arbeit, die viele in den Vereinen leisten. Wir haben gute Entwicklungsstrukturen hin zum Spitzensport. Was wir aber nicht haben, ist die Sicherheit, dass es auch in Zukunft genügend Ehrenamtliche gibt, die die Vereine am Laufen halten. Ich weiß nicht, was man machen kann, man kann den Menschen nur immer wieder sagen, dass Sport und motorische Entwicklung im Kindes- und Jugendalter mindestens genauso wichtig ist wie die intellektuelle Entwicklung. Dafür muss man Opfer bringen. Es muss ein Umdenken stattfinden, sonst sehe ich da keine gute Zukunft.